Der Lykische Weg mit Baby und Zelt – Woche 3: Einfaches Leben zwischen Himmel und Höllenfeuer

Kurzversion
In dieser Woche warteten mit Myra, Olympos, den Feuern aus der Unterwelt sowie dem Gelidonya-Leuchtturm viele Highlights auf uns, die auch andere Touristinnen und Touristen interessierten. Ausserdem standen zahlreiche einsame Höhenmeter und der Tahtalı-Dağı-Pass, der höchste Punkt des Weges, auf dem Programm – sowie ein weiterer Krankheitstag. Inspiriert von einer Schildkröte und unserem vereinfachten Leben (laufen, essen, schlafen) stellten wir fest, dass wir im Jetzt zuhause sind, da wir alles haben, was wir brauchen.

Aufbruch aus Demre und Ankunft in Belören
Aus Demre aufzubrechen brauchte etwas mehr Anstoss – obwohl wir sowohl hier nochmals bei einem Kinderarzt waren (ziemlicher Quatsch, aber das ist eine andere Geschichte) als auch unsere Kinderärztin in Zürich angerufen hatten (super). Wir liessen die Nikolauskirche hinter uns und schauten uns die antike Stadt Myra von der Strasse aus an, während uns ChatGPT darüber erzählte. Es sollten noch 700 Höhenmeter und 9 km bis Belören sein, und so ging es, das Meer verlassend, mit einem Granatapfelsaft in der Hand landeinwärts bergauf.
Neben dem Gewächshäusermeer, den lärmenden 90er-Jahre-Autos und Dromedaren (oder Kamelen) liessen wir Schritt für Schritt auch den Schrecken der Krankheit hinter uns. Auf halbem Weg kam uns ein russischer Wanderer entgegen, den wir fragten, wie der Weg gewesen sei – stehen doch jetzt drei Bergetappen an, die viele überspringen. Er sagte nur: «Hard» und «Now drink». Ob dies am Englisch oder an den fehlenden Worten lag, bleibt dahingestellt.
Etwas später trafen wir einen Wanderer aus Tasmanien (bereits der vierte tasmanische Wanderer auf dem Weg!), mit dem Ivo zwei Tage zuvor essen war. Er sagte, er sei krank und habe sich übergeben, wolle aber langsam bis Finike laufen und habe dafür fünf Tage eingeplant. Wir liefen weiter – der Weg war entspannt, wenngleich stetig ansteigend. Wir hatten zwei Nächte eingeplant.
Seit diesen Tagen zieren auch Wolken den Himmel, mal dunklere, mal hellere, und so ist es nicht mehr allzu heiss. Als wir in Belören ankommen, sehen wir neben Eseln, Ziegen, Hühnern und Truthähnen auch eine freiwillige Feuerwehrstation. Mit Händen und Füssen verstehen wir, dass die Feuerwehrleute uns sagen, es würde heute Abend regnen. Wir fragen, wo wir schlafen könnten, und sie deuten auf ein Haus gegenüber der Station.
In diesem gab es mehrere Räume mit aufeinandergestapelten Stühlen, ein paar Bildschirme aus den 90er-Jahren und ein WC – vielleicht eine Art Gemeinde- oder Multifunktionshaus. Wir freuten uns, den Ort gefunden zu haben, denn ansonsten bietet die Ortschaft keinerlei Infrastruktur, nur ein paar landwirtschaftliche Häuser. Wie nett, dass wir hier gratis schlafen durften! Internetempfang hatten wir keinen.
Wenig später stiess auch noch der tasmanische Hiker zu uns, und während wir im Haus schliefen, übernachtete er auf der Terrasse. Am Abend tranken wir Çay mit den Feuerwehrmännern und unterhielten uns – Cleo war Gesprächsthema Nummer eins. Tatsächlich sind wir so etwas wie Trail-Celebrities: Der Tasmanier hatte schon von uns gehört, bevor er uns getroffen hatte.




Auf schmalen Pfaden und durch Canyons
Die Nacht verlief ruhig und wir schliefen gut. Mit den verrückten Hähnen, die ab 4 Uhr schreien, und einem weiteren australischen Wanderer, der mit dem Taxi hochfuhr, wachten wir auf und gingen um 6:30 Uhr mit den ersten Sonnenstrahlen nach unserem Müsli los. Den Tag über sollten wir keine Zivilisation und entsprechend auch kein Frischwasser antreffen, daher waren wir voll beladen mit Wasser und allem, was wir für unser einfaches Leben brauchen.
Nach den Magenproblemen des Tasmaniers, der aus Zisternen getrunken hatte, wollten wir diese weiterhin umgehen. Es ging weiter bergauf, ein Pass auf 1700 m rief. Wir gingen auf schmalen Pfaden zunächst nur leicht hoch, bis wir zu den Ruinen einer Kirche kamen. Danach wurde es steiler, und wir mussten gut auf den Weg achten – einerseits, weil er kaum begangen zu sein schien und von Ziegenkot verdeckt war, andererseits, weil er sich zwischen Steinen und Büschen verlor.
Zwischendrin kamen wir an sehr einfachen Hirtenunterkünften vorbei, bestehend aus Planen und Holz. Umso erstaunter waren wir, als wir mitten im Nirgendwo ein kleines Kinderdreirad stehen sahen. Das zugehörige Kind lief uns strahlend entgegen – es schien mit seinen Grosseltern auf die Ziegen zu achten. In der Ferne hörten wir fremdartige Schreie und Laute, um Ziegen zusammenzutreiben.
Wir liefen immer höher und liessen den Ziegenkot hinter uns. An einer schönen Felsformation vorbei kamen wir zum höchsten Punkt, machten eine Pause und stellten fest, dass wir uns etwas anziehen mussten – wir sassen mitten in einer Wolke. Leider hatten wir entsprechend kaum Sicht.
Eigentlich wäre die Etappe zu Ende gewesen, doch da wir nicht so hoch schlafen wollten, weil es mit Cleo vielleicht zu kalt wäre, stiegen wir noch 800 m ab, besichtigten die Ruinen von Belos, einer weiteren antiken Stadt, und kamen in Belem neben einem Frischwasserhahn auf dem Friedhof an. Ein paar kanadische Wandererinnen schliefen sogar auf dem Friedhof, doch wir stellten unser Zelt kurz daneben auf.
Wir schliefen wieder gut, und am nächsten Morgen waren es noch 8 km und 800 Höhenmeter runter bis Finike. Spektakulär war der Weg durch einen ausgetrockneten Canyon – felsige, weisse Steine, dem Meer entgegen. Da wir in den letzten 24 Stunden fast alles aufgegessen hatten (nur die Leinsamen blieben unangetastet, Rosinen mit Erdbeergeschmack mussten dran glauben), lockte in Finike ein ausgiebiges Frühstück.
Ein bisschen toll ist diese Möglichkeit des Konsums zugegebenermassen schon – insbesondere nach dem kargen Trail-Food. In Finike angekommen liessen wir einen abgeschlagenen Hühnerkopf links liegen und setzten uns direkt ins Frühstückskaffee. Cleo wurde liebevoll begrüsst, und zum Glück ging es ihr richtig gut.












Von der Küste nach Mavikent und Karaöz
Die folgende Etappe war eine 30 km lange Strecke am Meer entlang, meist auf Asphalt. Das hat den Vorteil, dass sie schnell gegangen werden kann, aber den Nachteil, dass es in den Füssen schmerzt und etwas langweilig ist. Daher finden wir Unterbrechungen wichtig. Nach 8 km fanden wir eine Dusche, nach vier weiteren Kilometern einen Supermarkt und nach nochmals vier ein Restaurant.
Auf dem Weg liefen wir an Schildern vorbei, die «Vorsicht Schildkröten» anzeigen – wir sahen allerdings nur Hunde, da die Nestzeit der Schildkröten früher im Jahr liegt. Die Dusche und das Bad im türkisblauen Meer genossen wir sehr. Der Supermarkt hatte leider keine Früchte, und so assen wir Glace mit Fruchtgeschmack und tranken Saft.
Wenig später bekam Ivo wieder etwas Fussweh, und so entschieden wir bei einer extrem authentischen Pizza und Pestopasta im Restaurant, dass wir nur noch 5 km bis zu einer Quelle laufen und dort zelten würden. An einem Luxushotel mit eigenem Wald vorbei erreichten wir bei wunderschönem Sonnenuntergang die Bucht vor Mavikent.
Hier hatten viele Camperinnen und Camper ihre Zelte und Wohnwagen aufgestellt – kein Wunder, ein wirklich schöner Ort, und es gab sogar einen Wasserhahn. Wir wurden auf ein Getränk eingeladen und setzten uns zu einer Familie aus Istanbul. Die Frau freute sich sehr über Cleo, da ihr Sohn schon älter war, und sie scherzte mit ihrem Mann, dass sie sich ein weiteres Kind vorstellen könnte.
Sie machten Fotos mit Cleo und uns, und Ivo hatte Spass – mit einem Whisky und einer Zigarette.
Am nächsten Morgen war der Spass allerdings vorbei: Vermutlich hatte sich nicht nur der Whisky gerächt, sondern auch die Erkältung wieder durchgeschlagen. Ivo fühlte sich krank, und so liefen wir nur 6 km bis Karaöz, vorbei an wunderschönen Buchten.
In einem schicken Hotel massen wir Ivos Fieber beim Frühstück und beschlossen, dort zu bleiben. Während Ivo in den nächsten 20 Stunden etwa 18 Stunden schlief, schaute sich Marie jede Strasse des Ortes mindestens dreimal an, kochte für Ivo und spielte mit Cleo. Cleo war lieb, hatte Spass und entdeckte eine Schildkröte. Diese Arbeitsteilung zahlte sich aus: Am nächsten Morgen ging es Ivo deutlich besser, und so konnten wir weitergehen.







Leuchtturm, Olympos und Feuer aus der Unterwelt
Eine weitere Sternchen-Etappe lockte. An perfekten Wildcampingplätzen vorbei ging es unter Kiefern, mit Meeresrauschen, bis an den südlichsten Zipfel Lykiens. Hier steht auch der Gelidonya-Leuchtturm, ein beliebtes Fotomotiv – die Aussicht mit den vorgelagerten Inseln ist schlicht atemberaubend. Hinter dem Leuchtturm ging es spitz nach Norden, was auch die Richtung der nächsten Etappen bis Antalya sein wird.
Unterwegs kreuzten uns verschiedene Wandergruppen; dieser Abschnitt von Karaöz bis Göynük wird oft begangen, teils auch mit Gepäcktransport. Zeitweise lief ein Hund mit uns – das erinnerte uns an unsere Zeit mit Bruno, dem Hund auf Korsika, den wir zwei Wochen begleiten durften. Hier war es eine goldbraune Hündin, die wir Laika nannten. Sie verliess uns allerdings bald wieder (zum Glück).
Wir liefen 21 km bis Adrasan. Ein weiteres Highlight war ein Johannisbrotbaum, von dem wir viele Früchte sammelten und assen, und russischen Wanderinnen erklärten, wie man diese Frucht isst – und auf Nachfrage, was fürs Familienleben wichtig ist (wir vermuten, sie sind auf Hochzeitsreise).
Da es am Abend nochmals regnen sollte, wollten wir in Adrasan eine «Hobbithöhle» (ein rundes Mini-Bungalow) beziehen, bekamen dann aber durch Cleo ein Upgrade zu einer schönen kleinen Ferienwohnung aus Holz. Marie lief nochmals 5 km zum Supermarkt, und so gab es am Abend frisches Essen – und endlich Zeit für unseren neusten Blogpost.
Am nächsten Morgen assen wir den Rest der 500 g Pasta und Bananen und machten uns wieder bergauf auf den Weg über einen Pass. Dort trafen wir ein Paar aus Karlsruhe und waren inspiriert davon, langsamer unterwegs zu sein und uns richtig viel Zeit zu lassen. Nach dem Abstieg kamen wir in die beeindruckende antike Stadt Olympos und staunten über Sarkophage, Kirchen und Brücken, die direkt an einen schönen Strand grenzen, eingerahmt von Bergen. Diese Kombination aus geschichtsträchtigem Boden und glitzerndem Meer hat allerdings auch viele Touristinnen und Touristen angelockt.
Wir assen Gözleme, und die fünfjährige Tochter des Lokals überraschte uns, indem sie «Cleo Maus» sagte – was sie wohl zuvor von uns aufgeschnappt hatte. So liessen wir den Ferienort Çıralı gestärkt und nach einem Windelkauf hinter uns.
Nach 5 km ging es aufwärts zu einem Highlight aus der Unterwelt: den Feuern von Chimaira – Flammen, die seit Jahrtausenden einfach aus Felsspalten lodern. Unglaublich, was sich frühere Kulturen bei diesem Anblick gedacht haben müssen. Heute ist es zumindest physikalisch erklärbar, und Menschen sitzen daneben und rösten Marshmallows oder Würstchen am Höllenfeuer. Ganz oben, an einem Pass mit drei Feuern, wurde es zum Sonnenuntergang leerer, und so stellten wir unser Zelt auf. Nur ein weiterer Thruhiker aus Russland teilte sich diesen magischen Ort mit uns. Der Blick reichte vom Meer bis zum Tahtalı Dağı, dem höchsten Berg der Umgebung (leider mit Seilbahn). Auch am Morgen genossen wir den Ausblick und sahen die Sonne über dem Meer aufgehen, während die Feuer noch immer, wie seit Jahrtausenden, knisterten.












Die Königsetappe über Beycik und ein Zuhause im Jetzt
Wir brachen das Zelt ab und machten uns an den langen Aufstieg – fast 2000 Höhenmeter sollten es heute werden. Zuerst ging es auf Forststrassen sanft bergauf, neben uns Oliven- und Nussbäume, bis wir in Beycik auf einem wackeligen Balkon des «Panorama Hotels» unter langsam gelb werdenden Platanen herrlich frühstückten. Kahvaltı ist in der Türkei unsere Lieblingsmahlzeit!
Danach ging es weiter aufwärts, der Weg wurde steiniger und die Bäume krüppeliger. Oben angekommen, boten sich uns so herrliche Ausblicke, dass wir ewig brauchten – hinter jeder Ecke neue Fotomotive. Die karge Landschaft, aus der Baumriesen hervorragen, im Hintergrund das Meer: Grau trifft Blau trifft Rot trifft Grün.
Nach ausgiebigen Pausen warteten noch knapp 1000 Höhenmeter Abstieg auf uns. Wir wollten mit Cleo nicht über 1000 m schlafen, da es uns in der Nacht zu kalt scheint. Als wir ankamen, wollte der Besitzer allerdings doppelt so viel Geld fürs Camping wie telefonisch vereinbart. Zum Glück fanden wir einen anderen Schlafplatz – wir haben ja alles dabei, was wir brauchen, und können überall schlafen, wo wir wollen.
Wir sind einfach mit uns zuhause, wo wir gerade sind. Auch Cleo freut sich, einfach mit dem zu spielen und das zu erkunden, was sie findet. Ihr liebstes Spielzeug: leere oder volle Wasserflaschen. Erfreulicherweise trafen wir auch noch einen türkischen Wanderer, den wir kurz nach Kaş getroffen hatten, und einen Australier, den wir in Demre kennengelernt hatten, wieder. Die Thruhiker hier erkennen sich – und es ist schön, wieder etwas Trail-Community zu spüren.









Fazit
Wir sind angekommen und fühlen uns zwischen Meeresebene und den hohen Etappen, sowohl im Zelt als auch in den gastfreundlichen Pensionen, superwohl. Es ist toll, so wenig zu brauchen und gleichzeitig so reich beschenkt zu werden. Wir könnten gut noch einige Monate so weiterwandern. 🌿
Möchtest du wissen, wie unser Abenteuer weitergeht oder maximal einmal pro Monat einen Newsletter mit Informationen zu neuen Posts und Seiten auf der Webseite erhalten? Dann abonniere den Newsletter.